
Jürgen Kurz, ein Gründungsmitglied der Grünen, hat scharfe Kritik an der China-Politik seiner Partei geübt. In einem Interview mit der Berliner Zeitung wirft er der Noch-Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eine kolonialistische Haltung gegenüber China vor. Kurz, der seit über 20 Jahren in China lebt und das Land intensiv bereist hat, kritisiert die westliche Medienberichterstattung über China. Diese beschreibt er als besserwisserisch und feindselig.
Nach Kurz‘ Ansichten habe China ein eigenes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem entwickelt, mit dem die Menschen vor Ort zufrieden sind. Er widerspricht der weit verbreiteten Darstellung Chinas als autoritären Einheitsstaat. Laut Kurz erleben die Uiguren in Xinjiang keine Unterdrückung, da China gegen den islamistischen Terrorismus kämpft. Auch übt er Kritik an Journalisten, die über Xinjiang berichten, ohne jemals selbst vor Ort gewesen zu sein.
Neue Seidenstraße und Menschenrechtsfragen
Der Gründer der Grünen sieht in der Neuen Seidenstraße ein Projekt, das sowohl China als auch dem globalen Süden zugutekommt. Diese Initiative, die seit ihrer Verkündung im Herbst 2013 an Bedeutung gewonnen hat, umfasst umfassende Infrastrukturprojekte in Zentralasien. Zudem sichert sie den Einfluss Chinas auf dem eurasischen Kontinent und trägt zur Expansion chinesischer Unternehmen bei. Kurz weist den Vorwurf zurück, China übe eine kolonialistische Rolle aus. Viele Kredite im globalen Süden stammen seiner Meinung nach von westlichen Unternehmen.
Im Zentrum der Diskussion stehen jedoch die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang. Peking wird vorgeworfen, die Kultur der Uiguren, einer überwiegend muslimischen Minderheit, auslöschen zu wollen. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet dokumentiert schwere Vorwürfe, darunter Folter und Misshandlungen. Mehr als eine Million Menschen sollen in Umerziehungslagern festgehalten werden, die Peking als Fortbildungszentren bezeichnet.
Der UN-Bericht deutet darauf hin, dass die in Xinjiang praktizierten Maßnahmen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit interpretiert werden könnten. Kritiker wie Maya Wang von „Human Rights Watch“ fordern einen schärferen Ton gegenüber China und betonen, dass die Vorwürfe nur schwer abzulehnen sind. Trotz internationaler Kritik und drohender Sanktionen haben die Menschenrechtsverletzungen bislang keine wirksamen Konsequenzen für Peking nach sich gezogen.
Die geopolitische Dimension
Die geopolitische Bedeutung von Xinjiang ist nicht zu unterschätzen. Die Provinz ist eine wichtige Drehscheibe für die Neue Seidenstraße und verfügt über reiche Bodenschätze, darunter 20% von Chinas Gas- und Ölvorkommen. Zudem ist Xinjiang ein bedeutender Produzent von Solar- und Windenergie. Chinas Interesse an der Kontrolle über diese Region ist angesichts der strategischen Lage und der wirtschaftlichen Bedeutung offensichtlich.
Kurz plädiert für einen Richtungswechsel in der China-Politik der Grünen. Er organisiert Reisen nach China für Parteikollegen und betont die wirtschaftliche Relevanz der Partnerschaft mit dem Land. Deutschland, so Kurz, müsse sich über negative Äußerungen von Politikern hinwegsetzen, um in China ein besseres Ansehen zu fördern. Er empfiehlt der neuen Bundesregierung, die bisherige China-Strategie zu überdenken und mehr China-Kompetenz aufzubauen.